Teilnehmer aus der Region erleben Kirchentag
Gänsehautmomente, hoffnungsvoll und politisch
3000 Posaunen proben für den Abendsegen
Für das „ökumenische“ Ehepaar Ewald und Ingeborg Schillai aus Taunusstein ist der inklusive Mutmachgottesdienst der Aulhausener Vincenzleut‘, der absolute Höhepunkt des Kirchentages. „Im Gottesdienst sprechen die biblischen Geschichten, Gebete und Texte alle fünf Sinne an. Das Evangelium geht so direkt ins Herz!“, so die beiden. Seit 2009 touren die Vincenzleut‘ mit der Rüdesheimer Band tongestalten durch die Republik und bereichern die Kirchentage mit ihren ergreifenden Gottesdiensten.
Kirche legt Finger in Wunden und mischt sich ein
André Hoffmann aus Oestrich Winkel hat den Eindruck, dass der Kirchentag politischer sei, als die letzten. Kirchentagspräsidentin Anja Siegesmund bekräftigte das beim Abschlussgottesdienst: "Wir halten uns nicht raus, wir mischen uns ein, und das tun wir an jedem Tag."
Es ist bereits schon am ersten Tag des Glaubensfestivals eine mutmachende Aufbruchstimmung und viel
Hoffnung zu spüren, sind sich auch die regionalen Teilnehmer einig. Für jeden ist an diesen vier Tagen etwas dabei. Die Auswahl ist riesig: 1.500 Angebote gibt es. Eva und Ilka aus Bad Schwalbach bekommen gerade noch so einen Platz in der überfüllten Messehalle, um die Bibelarbeit von der Theologin Christina Brudereck und dem Musiker Ben Seipel zu sehen und zu hören. Helga Fraund aus Hünstetten hat sich entschieden die neue Kirchenpräsidentin der EKHN, Prof. Christiane Tietz zu hören. Diakonin Ulrike Schaffert, in Ostfriesland aufgewachsen, die die Fahrt für das Evangelische Dekanat Rheingau-Taunus organisiert hat, genießt einen ergreifenden plattdeutschen Liederabend der Entertainerin Annie Heger. Das Pfarrerehepaar Ralf und Imke Goerlitz aus Taunusstein zieht es an einem Abend zum Großkonzert mit Bodo Wartke. Pfarrerin Anette Kassing aus Bad Schwalbach lässt sich bei diesem Kirchentag bewusst treiben. Für ein Bibliodramaseminar steht
sie dann doch gerne an.
Schlange stehen
Anstehen muss man in Hannover oft, denn es sind deutlich mehr Teilnehmende beim Glaubensfestival dabei, als vor zwei Jahren. Pro Tag waren es etwa 150.000 Menschen. Kassing zeigt sich beeindruckt von der Gemeinschaft der Menschen untereinander, wie schnell man sich auch in kürzestes Zeit mit fremden Menschen gut verstehe. Das sei eine gute Eigenart von Christen, findet sie.
Gänsehaut-Momente und zufällige Begegnungen
Für Gänsehaut-Momente sorgen unter anderem die 3.000 Bläserinnen und Bläser, die den Kirchentag
begleiten. Manchmal auch ganz unerwartet, etwa als Christian Weise zufällig in die Messehalle 7 kommt und eben diese 3.000 Bläser das Lied „Der Mond ist aufgegangen“ für den Abendsegen proben. Zufällige Begegnungen sind auch Merkmal des Kirchentags. Die über 60-jährige Anette Kassing trifft ihren ehemaligen Lehrpfarrer, ehemalige Kommilitonen laufen sich über den Weg, der Pfarrer an einem Abendmahlstisch entdeckt zwei Damen, die er von seinem Praktikum in der damaligen DDR kennt. Seit 1986 haben sie sich nicht mehr gesehen. Ulirke Schaffert trifft beim Schlangestehen plötzlich und unerwartet auf einen ehemaligen Kollegen aus Ostfriesland der sie getraut hat.
Gottes Liebe gilt auch den anderen
Zum Abschlussgottesdienst kommen nochmal zehntausende Menschen und viel Prominenz friedlich
zusammen, auch die Teilnehmende aus der Region beschließen so den Kirchentag. Vertreter von
Stadt und Land betonen die Bedeutung der Kirche für die Demokratie und ein friedliches Miteinander
der Gesellschaft. In ihrer Predigt sagt Prof. Dr. Hanna Reichel, Dozentin an der Systematische
Theologie, in Princeton/USA, dass Gottes Liebe kein Heimatverein sei und auch kein „Platz an der
Sonne. Der Leitvers der Predigt: „Nichts kann uns trennen von der Liebe Gottes“ bedeute nicht: „Gott
gehört uns – sondern: Wir gehören zu Gott.“ Die ganze Welt gehöre Gott. „Und Gottes Liebe gilt eben
auch den „anderen,“ und wenn sie noch so nervig sind.“ Müde aber beseelt kehren so die Teilnehmenden in die Region zurück. Willens, etwas von der stärkenden und beherzten Atmosphäre in den Alltag und die Kirche vor Ort einzubringen.